Auszüge aus: Aly-Tag 1977, S. 27 ff, von Hermann und Horst-Peter ALY, Freiburg

Wortlaut der Urkunde über das Freihaus

Wir, Friedrich von Gottes Gnaden König in Preussen, Markgraff zu Brandenburg, des Heil. Römischen Reichs Ertz-Cämmerer und Churfürst, souverainer Printz von Oranien, zu Magdeburg, Cleve, Jülich, Berge, Stettin, Pommern, der Casseben und Wenden, auch in Schlesien zu Crossen Hertzog, Burggraff zu Nürnberg, Fürst zu Halberstadt, Minden und Canin, Graff zu Hohenzollern, Ruppin, der Mark, Ravensberg, Hohenstein, Singen, Moerss, Bühren und Lehrdam, Marquis zu der Wehre und Vlissingen, Herr zu Ravenstein, Lauenburg und Bütow, auch Arlay und Breda:
Bekenen hiermit für Uns, Unsere Erben und Nachkommen, Könige in Preussen, als Marggraff und Churfürst zu Brandenburg, auch sonst gegen jedermänniglich:
Nachdem Uns Unser Cammertürke Friedrich Aly allerunterthänigst angelanget und gebeten, sein, in unserer neuen Stadt Charlottenburg erbautes Hauss von allen und jenen Oneribus in Gnaden zu befreyen, und Ihm deshalb mit einem allergnädigsten Privilegio zu versehen.
Und Wir dann in Ansehung seiner Uns und Unserer in Gott ruhenden Hertzgeliebtesten Gemahlin, Frauen Sophien Charlotten Königin in Preussen - gebohren aus dem Churfürstlichen Stamm derer Hertzoge zu Braunschweig und Lüneburg - Libd. Christseel. Andenkens, geleisteten Vieljährigen treuen Dienste, solchen allergehorsamsten Suchen in Gnaden deferiret und vermittelst Rescripti vom neunten May h. a. und Unserer den Dreyssigsten Nov. A. c. an Unsern würklichen Geheimen Rath & dem von Prinz darüber ferner gethanen, allergnädigste Declaration das gebetene Privilegium auff folgende Art und Weisse auszuferttigen und zu ertheilen - Unser hiesigen Lohns-Cantzeley allergnädigst anbefohlen: Als priveligiren und begnadigen Wir aus der Uns zustehenden Chur- und Landesfürstlichen Macht und Gewalt hiermit und in Krafft dieses Unseres offenen Brieffes, so thanes von Unserem Cammertürken Friederic Aly erbautes Haus und Zugehörige Stelle in Charlottenburg von Acht und Neunzig Fuss breit und Dreyhundert Sechs und sechzig Fuss tieff, dergestalt und also:
Dass dieselbe von Grund Zins, Schoss, Contribution, Einquartierung, Wachten, Hoff-Diensten, so wol mit Gespannen als mit der Hand und allen und jeden oneribus, so bereits erfunden oder noch ins künftige erdacht werden möchten, sie haben Nahmen wie sie wollen, auff Kindes Kinder auch künftige Besitzer zu ewigen Zeiten gäntzlich befreyet seyn, und als ein Freyhaus tractiret werden. Er und seine genannten Nachkommen auch darin allerhand Gewerb und bürgerliche Nahrung zu treiben berechtigt seyn sollen.
Wir und Unsere Nachkommen Könige in Preussen, als Marggraffen und Churfürsten zu Brandenburg wollen auch ihn Friederic Aly, seine Kinder und Kindes Kinder wie auch die künftigen Inhaber dieses Hauses zu ewigen Zeiten bey solcher concedirten Freyheit jederzeit allergnädigst schützen, Handhaben und erhalten; Gestalt wir darin Unsern Hohen und Niederen Gerichten und Befehlichs-Habern, sonderlich aber dem Magistrat zu Charlottenburg hiermit allergnädigst und zugleich ernstlich enbefohlen, solches an Unserer statt gleichfalls zu thun, und den Impetranten, auch nach ihm seine Kinder und Kindes Kindes, und die künfftige Besitzer dieses Hauses, zu ewigen Zeiten, wieder den Inhalt dieses Unseres allergnädigsten Privilegii in keynerley Wege beschwehren noch beeinträchtigen zulassen. Getreulich ohne Gefärde. Jedoch Uns an Unseren, auch sonst jedermänniglichen an seinen Rechten ohne Schaden.
Urkundlich unter Unser eigenhändigen Unterschrifft und aufgedruckten Lehn-Siegel.
Gegeben zu Cölln an der Spree den dritten Decembr: Nach Christi, unseres lieben Herrn und Seelig-Machers Geburth. Im Eintausend, Siebenhundert und Fünften Jahre.

gez. Friedrich
gez. Wartenberg


Des Cammer Türken Ali Privileg

 

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Das Freihaus des Kammertürken Friedrich ALY

Im Zuge der Erweiterung ihres Gartenschlösschens "Lützenburg" hat Sophie Charlotte am 17. Februar 1699 den schwedischen Baumeister Johann Friedrich EOSANDER[1] zu ihrem Hofarchitekten bestallt. Bei der Neuplanung des Schlosses war kein Platz mehr für die Unterbringung von Hofchargen und Bediensteten. Um diese und Baulustige anzusiedeln, bewilligte die Königin (1701) außer freien Baustellen an der mit 200 Fuß breiten Schlossstraße Abgabefreiheit "so die Freihäuser in den Residenzen genießen". Freihausurkunden wurden für ihren Oberstallmeister d'AUSSON de VILLARNOUX, den Hofbuchdrucker und Kupferstecher Andreas LUPPIUS, den Zinngießer Peter SAUERWALDT und andere bestellt. So haben die beiden Kammertürken der Königin, ALY und HASSAN, 1704 Grundstücke an der Schlossstraße und am 3. Dez. 1705 die Freihausrechte erhalten.
Das Grundstück von Friedrich ALY war ein Eckgrundstück und 98 Fuß breit und 366 Fuß tief, gleich 3.536,44 m2 groß. Es erhielt die Hausnummer Schlossstraße 4.
Friedrich Wilhelm HASSAN (in der Urkunde nur Friedrich genannt) erhielt die Grundstücke Schlossstraße 6 und 7 mit einer Größe von 12 Ruten und 1 1/2  Fuß in der Breite und 30 Ruten in der Tiefe, gleich 5.226,78 m2. ... Die Freihaus-Urkunden wurden im Zuge der Stadtgründung und nach dem Tode der Königin ausgestellt. König Friedrich I schreibt am 16. April 1705 an seine Schwiegermutter, die Kurfürstin von Hannover:


"Daß ich Lützenburg einen andern Nahmen und zwahr Charlottenburg genannt habe, solches ist, daß ich Dero Nahmen noch mehr alß vohrhin venerire und estimire und Sie immer nicht aus meinen Gedanken wil kommen laßen."


Friedrich ALY zog mit seiner Frau und drei Kindern in das Freihaus ein. Dort selbst wurden noch drei weitere Kinder[2] geboren.
...
Friedrich ALY musste sein Freihaus am 3. April 1715 für 600 Taler an den Goldschmied und Ratmann Gottfried BERGER verkaufen. ...
Das Freihaus behielt für seine Rechtsnachfolger die "Freihausrechte", die am 15. April 1715 von König Friedrich Wilhelm I[3] und am 1. Oktober 1741 sowie am 20. April 1787 von Friedrich II, dem Großen[4], bestätigt wurden. ...
Das Freihaus wurde im Jahre 1882 abgerissen, um Neubauten Platz zu machen.

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[1] Johann Friedrich Freiherr von EOSANDER, genannt EOSANDER VON GÖTHE, get. 23.08.1669 Stralsund - gest. 22.05.1728 Dresden, deutscher Architekt des Spätbarock
[2] wahrscheinlich noch eins mehr, denn insgesamt hatten die beiden wohl sieben Kinder
[3] Friedrich Wilhelm I König in Preußen, 14.08.1688 Berlin - 31.05.1740 Potsdam, der Soldatenkönig, wurde 1713 König und löste den umfangreichen und kostspieligen Hofstaat seines Vaters auf
[4] Friedrich II König von Preußen, 24.01.1712 Berlin - 17.08.1786 Potsdam, wurde 1740 König als Nachfolger seines ungeliebten Vaters


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